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Aus heiterem Himmel

Heute ist es besser als gestern. Die Sonne scheint nicht. Der Himmel trägt ein unfreundliches Weiß; für ein unfreundliches Grau war er wohl nicht motiviert genug.

Ich habe keine besonderen Erinnerungen an den Tag danach. Ich weiß, dass es die ersten Frostnächte gab, als ich in einem hässlichen, hinten offenen Hemdchen im Automatikbett lag. Aber an die Farbe des Himmels am Tag danach kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiß nicht einmal, ob ich ihn überhaupt gesehen habe.

Gestern war es schlimmer als heute. Der gestrige Tag war hoch motiviert, wartete mit Wiederholungen auf: strahlender Sonnenschein, Wärme, wunderschöne Wolken - zum Sterben schön!

Man hat mich abgelenkt. Gestern. Meine Wolkenschubser haben ganze Arbeit geleistet. Aber es ist, wie es ist: an schönen Tagen ist die Erinnerung oftmals schmerzhafter, weil sie aus dem Vollen schöpft, weil es häufig die schönen Tage sind, die die schlimmsten Wendungen nehmen. Ganz unvermittelt. Und dann erscheint plötzlich eine vertraute Zahlenkombination auf dem Kalender und im Glanz eines sonnigen Nachmittags kommen plötzlich wieder alle Verluste aus der Herzgrube an die Oberfläche. Scharfe Stiche für jeden, der fehlt: der, der Geborgenheit war, der, der ein Bruder war, das, das ein kleines Funkeln war, der, der mal Alles war, die, die Herz- und Seelenteilerin war, und selbst der, dem nur kurz mal die Milch einschoss.

Aber heute ist es besser als gestern. Die Sonne scheint nicht. Ich bin nicht automatisch glücklich. Ich bin glücklich. Erst einmal.

Back to normal

Und irgendwann stehst du morgens einfach auf und spürst den Boden unter den Füßen wieder. Du gehst ans Hochregallager im Abstellraum deiner Emotionen, um die Surrealien fürs Frühstück auszuwählen und findest nur Konzentrate. Aber das macht nichts, weil die Verdauung wieder funktioniert und die positiven Emotionen in Brusthöhe stehen. Das Konzentrat macht zwar, dass es manchmal in der Brust zuckt, der Atem kurz stockt oder die Tränenkanäle leicht kitzeln, aber dann atmest du tief ein und aus und weißt, dass es wieder geht. Da ist wieder das leise Rauschen der Erdrotation, das du so lange nicht mehr wahrgenommen hast. Da ist Wind und Sonne und warmer Sommerregen. Da ist Vogelgezwitscher und sattes Grün. Und dann ist da noch etwas, das weit aus der Vergangenheit zu kommen scheint, denn du erinnerst dich: Nähe, Geborgenheit, Urvertrauen. Aber es ist etwas Neues. Es kommt aus dem Jetzt und hält dich fest und warm. Und du spürst endlich wieder die eigene Mitte.

Emotionskonsistenz

Still und heimlich hat sich eine neue Emotion ins Hochregallager geschlichen. Ich bin mir gar nicht sicher, ob es ein völlig neues Produkt ist oder ob es sich dabei um eine Mixtur aus bereits vorhandenen Gefühlen handelt. Sie ist seit ein paar Tagen da und passt noch nicht so richtig. Ein Emotionsbezeichnungsetikett hat sie auch nicht. Sie hat ein gänzlich fremdes Aroma, schimmert in kaltem smaragdgrün. Ihre Konsistenz erinnert an die Verzweiflung, die mir nur allzu gut bekannt ist, über diese immanente Sorge, noch einmal alles zu verlieren. Aber dann ist da plötzlich so eine wohlige Nuance.

weiß

Der Tag ist weiß.

Der Tag ist weiß, von Kälte durchzogen, grausam und schwer. Weißer Himmel, weißes Dach gegenüber, weißer Rauch aus dem Schornstein. Ohne Struktur und Abwechslung liegt er einfach so da, schwer, erdrückt mich. Fühle mich handlungsunfähig, krank. Kränker als ich bin. Es ist fast vier am Nachmittag und ich habe noch nicht einmal geschafft, etwas zu essen. So sehr lähmt mich dieses zähe schwere Weiß.

Es schneit pausenlos seit dem Morgen. Da kann ich nicht mehr mithalten. Meine Tränen sind schon vor einer Stunde verebbt. Jetzt hinterlasse ich keine Spuren mehr. Unter der schweren Schneedecke ist alles begraben. Auch deine Spuren zu meinem Herz.

Ankommen

Ankommen ist nicht so einfach. Nicht, wenn man sich jahrelang davor gedrückt hat, sich davor gefürchtet hat, ja fast panisch davor weggerannt ist.

Sehnsucht und Verzweiflung waren immer so ausbalanciert.
Sehnsucht nach Nähe, nach Geborgenheit, danach sich fallen zu lassen und aufgefangen zu werden, in ein Herz zu blicken, seine Geschichte zu erfahren, und diesen einen wichtigen Menschen ins eigene Herz blicken zu lassen, selbst in den hintersten dunklen Winkel dieses vernarbten Herzens, zu erzählen, woher die Verletzungen kommen und ihn darüberstreichen zu lassen, gemeinsam durch die Seele zu wandern.
Verzweiflung wegen des Gefühls, sich noch nicht von der Vergangenheit lösen zu können (oder zu wollen), weil der, der zu dieser Vergangenheit gehört, so wichtig war und das Herz am Laufen hielt. Und die Angst vor der Endlichkeit und dass sie einen noch einmal einholt, dass man sich fallen lässt in das Glück und plötzlich wieder der Boden unter den Füßen weggezogen wird.

Aus dieser Angst heraus immer wieder ein paar Schritte zurückgehen, die Sehnsucht irgendwie stillen, um weiter zu funktionieren, daran das Herz weiter brechen. Selbst. Und dann passiert das, wovor man sich so fürchtete: Der Boden ist plötzlich weg und man weiß, wie kurz ewig sein kann. Das "Wir haben unser ganzes Leben!" verfliegt wieder im Wind, in der Kälte eines Winters. Und plötzlich weiß man, man möchte Pläne machen und die Angst über Bord werfen.

Dinge

Dinge, die früher einmal selbstverständlich waren, habe ich irgendwann in eine Kiste gepackt, weil sie alleine nicht mehr funktionierten. Seit ich ihn kennengelernt habe, sind diese Dinge als Déjà-vus immer wieder aufgeblitzt. Als Sehnsüchte, unerreichbare, weil er ... naja, weil er nun einmal so ist, wie er ist. Und weil er nicht anders kann. Und weil ich das respektiere. Weil mir das, was ich von ihm bekomme, lieber ist als nichts.

Inzwischen sind einige der Dinge, die ganz unten in der Kiste verstaut wurden, überraschenderweise an die Oberfläche gedrückt worden. Die Frage, ob wir frühstücken, abendessen, ein Glas Wein trinken, eine unerwartete Umarmung am Morgen, oder wenn das Grau seiner Augen sich in ein Lächeln verwandelt. Womöglich ist es an der Zeit, eine neue Kiste einzurichten, mit Möglichkeiten, und diese Unvorstellbarkeiten umzuschichten. Nur damit ich sie im Notfall parat habe, wenn er unerwartet über seinen Schatten springt. Und über meinen.

Sugar and Spice

Ich finde es wundervoll, wenn unsere Verzweiflung die Schädeldecken wundreibt.

Wie man das wundervoll finden kann? Da ist Gefühl. Verzweiflung zwar, aber da ist etwas, das in der Brust brennt. Es ist tausendmal besser als die Leere. Es ist so viel besser als betäubt zu sein von Gedanken, zentnerschwer, die sich auf die Synapsen legen und sie lähmen, Gedanken, die zu schwer sind, um manövriert zu werden, und deshalb den ganzen Organismus lahmlegen. Ich habe sie kennengelernt, diese Leere, dieses Vakuum, diese Dimensionslosigkeit, gebündelt aus Schock und Weltverlassenheit, und ich möchte sie nie wieder spüren. Nein. Ich möchte nie wieder nichts spüren. Da verzweifle ich lieber, zur Not auch gemeinsam mit ihm, der sich nicht fallen lassen kann in die Zweisamkeit, der mein Herz so weit mit Aufmerksamkeit füttert, dass es nicht vertrocknet, aber nach wie vor auf Abstand bleibt, der mir im verzweifelten Grau seiner Augen Asyl gewährt, aber selbst nicht weiß, wo er bleiben soll. Zwischendurch pulsiert das Glück immer wieder auf, so sehr er sich auch dagegen wehrt, legt sich wie Karamell auf die rauhen Stellen, Balsam bevor sich wieder alles reibt.

Ich finde es wundervoll, wenn unsere Verzweiflung die Schädeldecken wundreibt, aber gegen bedingungslose Liebe hätte ich auch nichts einzuwenden. Hauptsache da ist mehr als Leere.

Es fühlt sich gut an

thickness

Seit einem Jahr schmachte ich vor mich hin. Was ich an ihm finde, fragt man sich. Was sich hinter dieser Frage versteckt, verstehe ich.

Liebe ist doch wie Kunst. Man steht vor einem Bild, Öl auf Leinwand, die Farbe dick aufgetragen und man versteht es zwar nicht, aber plötzlich erschlägt es einen und man möchte eintauchen in dieses dickleuchtende Rot oder Grün oder Blau oder von mir aus auch Braun oder Schwarz, Gelb oder was auch immer. Man möchte sich wälzen und suhlen und eins werden mit diesen Farben, der Struktur. Man hört eine Melodie, einzelne Töne, die einen verzaubern, nicht mehr loslassen, verfolgen, und man möchte sich dem Klang ergeben, verschmelzen.

Es waren seine Augen, in die ich mich stürzte. Kopfüber, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was darauf folgen würde. Ich fühle nur. Und was ich da fühle, zerreißt mich manchmal in den einsamen Stunden. Ich leide noch an der Vergangenheit, sehne mich nach der Zukunft, analysiere mich. Und wenn ich ganz ehrlich mit mir bin, dann flüstere ich mir hinter vorgehaltener Hand ins Ohr, dass ich sein Zögern sehr attraktiv finde. Es verschafft mir den Freiraum, den ich der Vergangenheit noch einräumen muss, um nicht kaputtzugehen. Ich mag den Raum, der zwischen uns liegt, wenn wir uns umarmen, weil noch genug Sehnsucht in diesen Raum passt, damit ich mich nicht wie ein völlig neuer Mensch fühle. Zu viel Glück, zu viel Zufriedenheit, zu viel Glückseligkeit könnte ich wahrscheinlich gar nicht verkraften.

Im Vakuum der Nacht

Ich habe die Nächte leergeträumt. Alle. Unwiederbringlich. Meine Sehnsucht hat alle Farben und Formen herausgesaugt. Alle Geschichten. Alle Fragmente. Alle Sorgen und alles Glück. Ab jetzt regiert das Vakuum die Nächte. Es ist still geworden.

Wer ist da für dich?

Da bin nur ich.

Ich habe mich daran gewöhnt, mich am Leben zu reiben. Ich bin die Rinde eines Baums und ich bin auch der Bär, der sein juckendes verfilztes Fell daran reibt, bis es sich besser anfühlt. Die Rinde ist stark genug und das Fell ist dick genug, niemand wird verletzt.

salzlamm

Von Wunden und Narben und Wundern und Farben

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