Mittwoch, 16. März 2011

verlieren

Ich wusste es! Das Glück ist zu präsent geworden. Seit einigen Wochen blitzt es immer wieder unerwartet aus Winkeln und Ecken auf oder zieht sich sogar lasziv durch ganze Tage. Ich will mich dem Glück hingeben, bleibe aber vorsichtig. Zu groß ist die Angst, dass es mich nicht nur wieder verlassen könnte, sondern mich womöglich auch verhöhnen würde, dass ich der Illusion wieder einmal aufgesessen bin. Ich und glücklich sein, pah! Die Sorge wohnt wahrscheinlich hinter der Tapete oder unter der Fußleiste des Schlafzimmers. Des nachts strömt sie manchmal wie ein giftiges Gasgemisch hervor und überrascht mich im Schlaf, indem sie sich mein Herz krallt und quetscht.

Meine größte Angst ist, den zu verlieren, an den ich vor fast zwei Jahren erst meinen Kopf und nach und nach mein Herz und auch den ganzen Rest von mir verlor, der erst zweifelte und zögerte, inzwischen aber die Zukunft bejaht und fordert - unsere Zukunft.

Aber mein Herz wäre nicht mein Herz, wenn es nicht eine Massenunterkunft wäre. Zu eng ist es nicht da drinnen, sondern muckelig warm. Meine Herzmenschen sind mein Motor, meine Liebe ist facettenreich - innig, bedingungslos, manchmal auch verzweifelt und sie überdauert sogar den Tod. Ohne meine Herzmenschen wäre ich nichts. Ein jeder von ihnen ist unendlich wichtig, ist Heimat. Einige verlor ich, als ich 12, 18, 27 und 34 war. Nach jedem Verlust habe ich mich aufgerappelt, weil ich sie trotzdem noch spürte, Kraft von ihnen bekam.

Im letzten Jahr erfuhr ich kleinere Verluste, die mich jedoch viel stärker trafen als alles bisher. Kann das Ende der Leidensfähigkeit irgendwann tatsächlich erreicht werden? Der Verlust meiner Stärke, der Verlust meiner Selbst - ich habe mich verloren, war am Ende, ein Häufchen Elend, weil etwas in meinem Herzen faul geworden war. Und auch wenn es mir heute wieder besser geht, weiß ich nicht, ob ich noch einen Verlust überstehen könnte. Ich klammere mich an jeden Halm, den ich zu fassen bekomme, jede Zurückweisung bricht mir das Genick. Wieder und wieder.

Und plötzlich ist die Gefahr zum Greifen nah. Ein Herzmensch ist krank, ist am Ende. Beste Freundin, schwesterngleich, die Angst, sie zu verlieren frisst mich auf. Und vielleicht, weil ich inzwischen herausgefunden habe, wie es sich anfühlt, körperlich und seelisch an einem Punkt angekommen zu sein, an dem es nicht mehr weitergeht, trifft mich das, was da passiert, mit voller Wucht. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass noch zwei weitere Herzmenschen unter der Situation leiden und die eine, mit elf Jahren eindeutig zu jung für diese Situation, mich aus roten Augen ansieht und ich mich selbst sehe, voller Sorge um meinen Vater, der - ein Schatten seiner selbst nur noch - gegen ein übermächtiges Monster in seinem Innern kämpfte, und ich, hilflos zusehend, irgendwann nicht mehr wusste, ob ich mir wünschen soll, dass er es besiegt, oder ob es besser wäre, wenn er sich ergibt.

Zu viele rote Augen. Zu viel Leid. Zu viele Verluste. Zu wenige Kraftreserven. Zu groß der Wunsch, endlich mal einfach nur glücklich sein zu dürfen. Zu groß die Angst, es nie sein zu können. Und von unter der Fußleiste im Schlafzimmer strömt ganz langsam leise Panik, dass etwas passiert, das mir das Genick bricht, aber eben wieder nicht endgültig.

salzlamm

Von Wunden und Narben und Wundern und Farben

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